In Memoriam Professor Stephan Klasen



Universitätsprofessor Stephan Klasen, Ph.D., Inhaber der Professur für Entwicklungsökonomik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen und Direktor des Ibero-Amerika Instituts für Wirtschaftsforschung, ist am 27. Oktober 2020 im Alter von 54 Jahren nach langer und schwerer Krankheit verstorben.



Stephan Klasen hat an der Harvard University studiert und dort auch bei Nobelpreisträger Amartya Sen promoviert. In seiner Dissertationsschrift hat er die Übersterblichkeit von Mädchen und Frauen historisch und in Ländern des Globalen Südens untersucht, das sogenannte "Missing Women"-Problem. Nach Abschluss der Promotion ging er zunächst zur Weltbank nach Washington DC und Südafrika, wo er unter anderem die südafrikanische Regierung von Nelson Mandela beraten hat. Nach einem Postdoc-Aufenthalt am Kings College der Universität Cambridge und seiner ersten Professur an der Universität München wurde Stephan Klasen an die Universität Göttingen berufen.



Seit September 2003 war er Inhaber der Professur für Entwicklungsökonomik und Leiter des Ibero-Amerika Instituts für Wirtschaftsforschung. Er war zudem langjähriger Mitherausgeber der Fachzeitschrift Review of Income and Wealth.



Stephan Klasen hat die Entwicklungsökonomik in Göttingen maßgeblich ausgebaut und durch den Aufbau vielfältiger und fakultätsübergreifender Kooperationen und Netzwerke disziplinenübergreifende Forschung auf diesem Gebiet ermöglicht. Heute ist Göttingen der deutschlandweit größte und international sichtbarste Standort für Entwicklungsländerforschung.



Zusammen mit Kolleg*innen aus Agrarökonomie und Statistik hat er im Rahmen der Exzellenzinitiative von 2007 das Courant Forschungszentrum "Armut, Ungleichheit und Wachstum in Entwicklungsländern" gegründet. Stephan Klasen war in Göttingen an zwei Sonderforschungsbereichen, zwei Forschergruppen und zwei Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beteiligt. Besonders ist hierbei das DFG-Graduiertenkolleg „Globalisierung und Entwicklung“ hervorzuheben, welches von Stephan Klasen geleitet wurde, auch dann noch als er bereits schwer erkrankt war. Von diesem unermüdlichen Einsatz haben Generationen von Promovierenden profitiert und sein Wirken als "Göttinger Schule" bezeichnet.



Stephan Klasen war ein leidenschaftlicher Hochschullehrer, der es verstand, Studierende für sein Fach zu begeistern. In der Lehre hat er vor allem Kurse im Bereich der Entwicklungsökonomik, Makroökonomik, Wohlfahrtsökonomik und Geschlechterökonomik angeboten. Der von ihm mit-initiierte Master-Studiengang Development Economics erfreut sich großer Beliebtheit und bringt Studierende aus aller Welt nach Göttingen.



Stephan Klasen war ein weltweit angesehener Experte und hoch geschätzter Ratgeber in Fragen globaler Entwicklung. Seine Mitgliedschaft im Ausschuss für Entwicklungspolitik der Vereinten Nationen, die er seit 2013 innehatte, ist besonders hervorzuheben. Auch diese Aufgabe hat er trotz seiner schweren Krankheit bis zuletzt wahrgenommen. Als Mitglied des Weltklimarats IPCC arbeitete er am fünften Sachstandsbericht 2014 mit. Er hat darüber hinaus dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angehört und war ein gefragter Ratgeber nationaler und internationaler Organisationen wie der Weltbank, UNESCO und UNDP, um nur einige zu nennen. Er war Vorsitzender des Ausschusses für Entwicklungsländer des Vereins für Socialpolitik und Präsident des European Development Research Networks (2015-2018). In all diesen Funktionen hat er sich im besonderen Maße um den Austausch zwischen Wissenschaft und entwicklungspolitischen Entscheidungsträgern verdient gemacht.



Stephan Klasen hat sich große Verdienste durch seine Forschungsbeiträge in verschiedenen Teilgebieten der Entwicklungsökonomik erworben. Er zählte zu den weltweit führenden Experten bei Fragen der ökonomischen und sozialen Geschlechterungleichheit. Für seine Verdienste um die Entwicklungsökonomie an der Universität Göttingen wurde er 2016 mit dem Sonderpreis des Stiftungsrats ausgezeichnet. 2018 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der spanischen Universität Jaume I in Castellón bei Valencia verliehen.



Anlässlich seiner Abschiedsvorlesung im Herbst 2019 hat die Universität das Stephan Klasen Fellowship für Nachwuchswissenschaftler*innen aus Ländern des Globalen Südens ins Leben gerufen, um seine besonderen Verdienste für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu würdigen.



Stephan Klasen hat sein Feld, die Entwicklungsökonomik, wie kaum ein anderer in Deutschland und Europa geprägt. Die Entstehung einer modernen Entwicklungsökonomik in Deutschland seit den frühen 2000er Jahren ist zu einem großen Teil auf seinen Einsatz und sein Wirken zurückzuführen. Er hat Generationen von Studierenden und Promovierenden inspiriert und mit Hingabe nationale und internationale entwicklungspolitische Debatten mitbestimmt. Sein Wirken wird bleibend sein.



Wir verlieren unseren geschätzten Kollegen, der voller Tatkraft und Ideen war und sich bis zuletzt für die Belange seiner Studierenden, Promovierenden und Mitarbeiter*innen eingesetzt hat, leider viel zu früh. Er wird uns fehlen.



Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau und seinen vier Kindern.





















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